Pressebericht zum Samstag 27. Mai 2000

Vielfältiges 4. Steelband-Meeting im 'Wallberg'
von Arthur Phildius
auf der Seite SPEKTRUM des Glattaler vom 9. Juni 2000
Wozu sich lange ins Flugzeug setzen? Wenigstens akustisch zauberten vier verschiedene Steelbands unlängst
die Karibik in den Volketswiler 'Wallberg'. Ausführende waren vorwiegend Schweizer.
Wer beim Stichwort Steelband nur an flockig-heiteren Calypso denkt, ist gut beraten,
seinen Horizont zu erweitern. Den stählernen Kübeln lassen sich noch ganz andere
Klänge entlocken: Reggae, Rock, Pop, Schlager, Jazz oder an grandiose Filmmusik
erinnernde Arrangements.
Für die Vielfalt reicht es, vier der 120 Schweizer Steelbands anzuheuern, je eine
aus den Kantonen Bern und Aargau und 2 aus Zürich. Allein ihr Spektrum war an jenem
Samstagabend gross. Nicht nur klanglich - auch bezüglich Repertoire, Instrumentierung,
Zusammensetzung und gemeinsamer Geschichte. "Ich habe bewusst versucht, einem Mix
zu komponieren und auch das Schema zu durchbrechen, dass die Reihenfolge der
Auftritte einer Hierarchie gleichkommt", erklärte Organisator Peo Oertli-Kassim
dazu.
So kamen sie eben zuerst: Claudio Pini und 'Les amis de la casserole' aus Bern.
Zwar hat das gute Dutzend Auftretende das Steelpan laut Infoblatt auf den Tischen
"als Zweitinstrument entdeckt". Aber seit sener Gründung 1995 habe das Orchester
"erstaunliche Erfolge verbuchen können, nicht zuletzt dank der professionellen
musikalischen Leitung durch Claudio Pini". Nicht nur im Elsass l999, auch in
Volketswil kam das "authentische und musikalisch hoch stehende" Repertoire mit
Calypso, Jazz oder Salsa gut an.
Junge Ohrenschmäuse
Ebenfalls auf Ohrwürmer verzichtete das Jugendorchester 'Steel Magic' aus Zürich.
Kunststück: Bandlehrer Ralph Richardsons zauberhafte Arrangements entpuppten sich
tatsächlich als - so das Infoblatt - "Ohrenschmaus". Getragene, melodiöse Balladen
standen im Dialog mit fetzigem Sound. Und Titel wie 'Moovie' und 'Way' würden sich
in manchem Kinostreifen ebenso gut anhören.
Nicht nur dieses breite Repertoire erstaunte, sondern auch Taktsicherheit,
Zusammenspiel und einzelne virtuose Tonläufe der 15 Jugendlichen im Alter von 12
bis 23 Jahren. Während die einen konzentriert spielten, wechselten andere
verschmitzte Blicke, und Bandsprecherin Myriam Huter führte locker durch die junge
Stahlmagie.
Ganz anders die 'Pan Cake' aus Windisch: Die ebenfalls rund 15 Erwachsenen sorgten
mit bekannten Ohrwürmern wie 'River of Babylon' oder 'Malaika' und viel Drive für
Stimmung. Das war nicht immer so, verrät das Infoblatt: "Gegründet Ende 1995 als
kleine Gruppe mit null Vorkenntnissen und mühsamen Proben zu Beginn." Heute
serviert die Band "kleine, milde, süsse oder pikante Omeletten", so Bandleader
Heribert Isler zum zweideutigen Bandnamen, an jährlich bis zu 50 Familien-,
Firmen- oder Wohltätigkeitsanlässen.
Akustik und Atmosphäre gut
Apropos Restaurant: 'Wallberg'-Wirt Martin Kaiser und seine Küchenbrigade sorgten
mit karibischen Spezialitäten fürs leibliche Wohl der gegen 200 Gäste. Oertli
lobte denn auch: Wir schätzen das gute Essen und die Atmosphäre hier - nicht zu
gross und nicht zu klein. Auch die Akustik ist hier sehr gut!" So kämen die Bands
gerne, trotz budgetbedingt reduzierter Gage. "Unser Interesse ist es, die Sache
zu fördern." So ist er fest überzeugt, dass das Meeting bekannter werden und noch
mehr Gäste anziehen wird.
Dafür wird in einem Jahr nochmals Wilbert 'Junior' Gill sorgen: nach dem '21st
Century Steel Orchestra' wird er laut Oertli seine Kinderband mit 6-12 Jährigen
nach Volketswil bringen.
Vom 1st European Steelband Festival in Paris nach Volketswil
Sprizig wie ein Springbrunnen
Erstmals fand im Mai in Paris ein Steelband-Wettbewerb statt. Eine der beiden
Schweizer Bands kam kurz darauf mit ihrem charismatisch-karibischen Leiter nach
Volketswil.
Nur schon der lange Aufbau liess Grosses erahnen: So viele Stahlfässer wie zu
vorgerückter Stunde das '21st Century Steel Orchestra' hatte zuvor noch keine Band
angeschleppt. Allein die zweimal sechs Bassfässer brachten den umsichtigen Bandleader
Wilbert 'Junior' Gill und seine beiden Bassistinnen ins Schwitzen. Martin Kaiser
scherzte: "Die müssen nicht ins Fitnessstudio gehen."
Doch nach einigem Tischeschieben erklang der volle Sound von 20 Musizierenden,
mehrheitlich Frauen. Die Band ist Gills Ad-hoc-Formation, gegründet fürs 1st
European Steelband Festival vom 20./21. Mai in Paris. Dort erreichte die Band
Rang 7 vn 12, das andere Schweizer Ensemble gar Platz 4.
Wer sich nun eine Woche später in Volketswil die Wettbewerbsstücke 'Tribute to
Trinidad' und 'Evergreen' anhörte, musste auf ein allgemein hohes Niveau in Paris
schliessen: 'Juniors' Arrangements bestachen einerseits durch fetzigen Sound,
andererseits durch eine melodramatische, getragene Monumentalsymphonie.
Der Bandleader nahm's gelassen, auch als er einmal am Bass nicht weiter wusste:
"We have a problem because of Paris: ich han da sit acht Mönet nüme güebt." Dafür
bearbeitete er das Schlagzeug (mit allen Schikanen), das Iron (Auto-Bremstrommel)
und das zweieinhalb-oktavige Sopranpan umso virtuoser. Mit demselben Elan, mit dem
er seine Band leitet(e).
Geboren auf Barbados und aufgewachsen in London, begann er mit 12 die Bassbatterie
zu spielen, genoss mit 14 die ersten Auslandaufenthalte, studierte später Mathematik
und Musik am Londoner Technical College und wurde mit 25 zum Leiter des 'Melodians
Steel Orchestra' ernannt. Bis ihn l989 die 'Sandflöö' via Zürcher Fasnacht definitiv
ins europäische Vize-Steelband-Mekka lockten: in die Schweiz.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors